„For the purposes of this project I would like to define urban art as any non-commissoned work installed, performed or attached in public spaces, with the distinct purpose of affecting the world in a creative or artistic way.“
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CHARAKTERISTIKA
Urban Art definiert sich über eine Reihe von Charakteristika. Wie einzelne KünstlerInnen damit umgehen ist sehr unterschiedlich – dennoch bleiben sie zentrale Faktoren für die Auseinandersetzung mit dem Phänomen.
Anonymität: Es existiert ein Kontinuum vom absolut anonymen Einzelwerk über wiedererkennbare Arbeiten einer namenlosen Künstlerin bis zum Gebrauch von Pseudonymen und letztlich Künstlern, die sich vor oder nach der Umsetzung zu einem bestimmten Werk bekennen. Auch Werktitel usw. fehlen in den meisten Fällen. Die für die Kunstgeschichte traditionell wichtige Zuschreibung der Autorenschaft ist folglich oft prekär oder gar unmöglich. Weiter heisst dies, dass die Vermittlung von Hintergrundinformationen stark erschwert ist, so dass Werke selbsterklärend sein müssen, wenn sie sich nicht an ein reines Insiderpublikum wenden wollen.
Ephemerität: Die Werke bleiben selten lange bestehen, da sie so unterschiedlichen Einflüssen wie Witterung, Reinigungskräften und konkurrierenden Urban Artists ausgesetzt sind. Entsprechend sind die dafür eingesetzten Materialien meist günstig wie Farbe oder Papier. Es entstehen innert kurzer Zeit immer neue Arbeiten, was an neuralgischen Punkte zu überlagernden Schichten führen kann, bei denen einzelne Arbeiten ineinander übergehen.
Kontext: Neben der technischen Ausführung, ist die Qualität der Werke ist stark mit der Umgebung und den Umständen ihrer Ausführung verknüpft. Dies gilt sowohl für die Gestaltung oder Platzierung, die sich in eine gegebene Stadtlandschaft einbettet, als auch für die Bezugnahme auf Nutzungen, Funktionen oder andere Werke. Auch abgesehen von einer grundsätzlichen Immobilität vieler Werke, ist es kaum möglich beim Transport eines Originals seine spezifische Qualität zu erhalten .
Eigeninitiative: Es existiert keine externe Instanz, die (an)ordnet, wer wann wo seine Arbeit zeigen kann. Urban Artists sind folglich meist ihre eigenen Kuratoren, in dem Sinn, dass sie selbst entscheiden, welches Werk wo am besten zur Geltung kommt etc. Dies kann in äusseren Umständen, wie der Schwierigkeit im Kunstbetrieb einen Ausstellungsort zu finden, oder persönlichen Präferenzen begründet sein. Eine aktive Kuration greift in diesen selbstregulierten Prozess ein und steht dem Status von Werken, die ohne Auftrag entstehen, entgegen. Ein interessanter Aspekt dabei ist, dass die Schwelle, seine eigene Kunst so zu präsentieren, also nicht durch das Urteil anderer gesetzt wird.
Stil: Urban Art bedient sich einer bestimmten Ästhetik, die sich der Bildsprache von Comics und der Pop-Art, aber auch Werbe- und Propagandaplakaten verbunden ist. Dies liegt meines Erachtens darin begründet, dass ohne kennzeichnenden (institutionellen) Rahmen, der vermitteln und zur Kontemplation einladen kann, die Notwendigkeit rasch rezipierbarer Werke entsteht. Zu dieser Tendenz tragen auch die Produktionsbedingungen am Rand der Legalität bei, die nur wenig Zeit zur Umsetzung vor Ort zulassen. Dadurch ist eine charakteristische Bildsprache entstanden, deren Wiedererkennungswert sie auch ausserhalb eines Strassenkontextes eigenständig erscheinen lässt.
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Um diesen Faktoren gerecht zu werden, ist meines Erachtens eine Ausstellungspraxis sinnvoll, die die Werke in einem klar umrissenen Gebiet erfasst und vermittelt. Sie versucht nicht die Anonymität zu durchbrechen oder eine Auftragssituation zu generieren. Der Stadtraum wird als egalitäres Freilichtmuseum verstanden, so dass die Aufgabe der Kuration nicht im Zusammenstellen einer Ausstellung oder dem Bereitstellen einer Fläche besteht, sondern in der Überwachung und Kommunikation des Bestandes. Urban Art Surveillance stellt Verweisfunktion auf den öffentlichen Raum sowie die Vermittlung und die theoretische Auseinandersetzung ins Zentrum ihrer Tätigkeit. Zudem ist das Ausstellungsprojekt stark lokal verwurzelt. Das Internet bietet die Möglichkeit, grosse Archive anzulegen und zu verwalten wie auch Hintergründe zu kommunizieren.
So entsteht ein aktuelles Abbild der Situation rund um den Ausstellungsort; zusätzlich dient das Löwenbräu-Areal als Vergleichsgebiet, da dort auf vergleichsweise engem Raum eine hohe Dichte an Werken zu finden ist. In diesen Gebieten wird das Entstehen und Vergehen von Urban Art während der Laufzeit des Projekts gezählt, kategorisiert, kartografiert und fotografisch dokumentiert. Durch die regelmässigen Anlässe besteht zudem die Möglichkeit zum Austausch und zur Vernetzung.
Das Projekt Urban Art Surveillance vereint theoretische Untersuchung mit kuratorischer Praxis, um das ebenso disparate wie volatile Phänomen Urban Art zu fassen. Das Ziel ist ein besseres Verständnis der urbanen Landschaft, ihrer Gestaltung und der Faszination oder Ablehnung, die Urban Art hervorruft.