ÜBERWACHUNGSGEBIET
Das Untersuchungsgebiet umfasste 1 Quadratkilometer mit dem Corner College als Zentrum. Von der Ecke Langstrasse / Brauerstrasse aus erstreckten sich die vier Sektoren A – D jeweils 500m in die vier Himmelsrichtungen. Im Schaufenster an der Brauerstrasse befand sich eine abstrahierte Karte aller Sektoren, auf der die Standorte der fotografischen Erfassung von Urban Art eingetragen waren und damit zu eigenen Rundgängen einlud.
„Hier [im Langstrassenquartier] ist Zürich pulsierende Grossstadt mit allen negativen und positiven Eigenschaften, eine 24-Stunden-Stadt, kultureller Schmelztiegel, Sportstadt, Experimentierfeld für neue Wohnformen und ein Labor für Städtebau. Hier befindet sich aber auch das Zentrum der Schweizer Drogenszene und das Rotlichtquartier; die Belastung durch den Verkehr ist enorm. Aussersihl und das Industriequartier sind im Brennpunkt der gesellschaftlichen und baulichen Entwicklung Zürichs.“
Franz Eberhard (Direktor Amt für Städtebau), 2010
Auf engem Raum finden sich entlang der Langstrasse diverse Formen urbanen Lebens: Schon seit je her sind die Gebiete Aussersihl und Industriequartier (Kreise 4 & 5) Orte, an welche die Stadt Zürich unangenehme Dinge wie Siechenhaus, Hinrichtungsplatz oder Industrie Abfallentsorgung auslagerte. Die Zuwanderung von Fremdarbeitern, das Rotlichtmilieu und Randständige haben die Quartiere lange geprägt. Noch heute müssen sich die Anwohner mit gesellschaftlichen Problemen auseinandersetzen; durch Sanierungen, städtische Massnahmen und steigende Mieten verändert sich der Charakter der Quartiere weiter. Bis heute hat sich ein vergleichsweise hoher Ausländeranteil gehalten, der mit 41,5% über dem Stadtzürcher Durchschnitt von 30% liegt (2007).
Um den, vor allem durch Drogen- und Rotlichmileu verursachten, Problemen aktiv zu begegnen, bewilligte der Stadtrat am 14. März 2001 das umfassende Projekt «Langstrasse PLUS», das vor allem eine Verbesserung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erreichen soll. Neben sozialen Projekten wird das Langstrassenquartier auch städtebaulich aufgewertet. Die Massnahmen der Stadt unterstützen einen Wandel der schon damit eingesetzt hat, dass vermehrt Studenten, Künstler und junge Akademiker die beiden Quartiere als Wohnort entdeckt haben. Neue Cafes, Bars, Restaurants und Clubs sind entstanden , was das Gebiet wiederum für weitere Bevölkerungsschichten attraktiver macht; diese werden durch eine lebhafte Galerienszene und off spaces ergänzt. Die Entwicklung führt dazu, dass bisherige Etablissements verdrängt werden und sich die Durchmischung der Bevölkerung kontinuierlich verändert.
Das Gebiet ist primär mit Blockrandsiedlungen dicht bebaut, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Zu einem Grossteil heute noch in Besitz von Genossenschaften und der Stadt Zürich der ehemals starken Arbeiterbewegung. Die grosszügig konzipierten Innenhöfe der Wohnkolonien bieten Handwerk und Gewerbe Platz, dienen aber auch als Grünfläche. Die Bäckeranlage im Sektor C ist, neben der ‚Planungsbrache‘ Kasernenareal, der einzige Park im Überwachungsgebiet. Beispiele für die Gentrifizierung finden sich in den Wohnbauten an der Bäckerstrasse 51 (2000) oder der Neufrankengasse 22 (2006).
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ERFASSUNG
Die Untersuchung teilt die vorgefundenen Werke in unterschiedliche Kategorien ein, die Form und Verteilung ablesbar machen ; bei der Erfassung werden Art und Technik jeweils separat gezählt und innerhalb dieser Kategorien wird zusätzlich die Grösse und Höhe der Werke vermerkt:
1. Art Unterteilt den Sammelbegriff Urban Art in drei Teilbereiche: Graffiti // Street Art // Intervention
2. Technik Bezeichnet das genutzte Medium: Farbe // Sticker // andere
3. Grösse Gibt in abstrahierter Form die Abmessungen wieder: kleiner A3 // A3-A0 // grösser A0
4. Höhe Geht auf das Sichtfeld ein: unter // auf // über Augenhöhe
Urban Art existierte relativ gleichmässig über alle vier Sektoren verteilt. Von der rund um die Uhr belebten Langstrasse über die Nebenstrassen bis in die Innenhöfe der Blockrandbebauungen waren primär Tags und kleinformatige Sticker präsent.
Graffiti war in allen Grössen deutlich am Stärksten vertreten; die Spuren zeigten sich vom Boden über Wände und sämtliche Bestandteile des städtischen Mobiliars (wie Fensterläden, Strassenpfosten, Abfalleimer etc.) bis in den Gleisbereich und auf die Dächer.
Street Art ist ebenfalls häufig zu sehen, wenn auch nur selten grosse und aufwendige Werke; sie konkurriert zudem mit Guerilla-Marketing und der Ultraszene, die beide ebenfalls massenhaft Sticker kleben.
Interventionen sind quasi inexistent im untersuchten Zeitraum und Gebiet.
In einem Zeitraum von gut acht Wochen wurden einerseits diverse Sticker entfernt und Tags übermalt, insgesamt hat die Menge an Arbeiten jedoch klar zugenommen.